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Deutschsprachige pl., Sprachdeutsche, Kulturdeutsche, Substantiv, Femininum, Wortzusammensetzung, Narrativ, Eigenbezeichnung. Seit 1900 Sammelbezeichnung aller Ethnien, die sich als Staatsvolk oder als nationale Minderheit mit der deutschen Kultursprache identifizierten und sich dadurch mit dem deutschen Sprachgebiet verbunden fühlten. Beiwort ist deutschsprachig.

Der Begriff Deutschsprachige löste das völkische Konstrukt ab, welches die Deutschsprachigen unter Bindestrich-Deutsche summierte und Österreicher, Luxemburger und Schweizer deutscher Muttersprache zu Deutsch-Österreicher, Deutsch-Luxemburger oder Deutsch-Schweizer machte.

Der Begriff Deutschsprachige ist apolitisch und an keinem Staats- oder Ethnokonzept gebunden. Er bedeutet schlicht, dass die ihm zugehörigen Angehörige des deutschen Kulturkreises sind, der sich sprachlich-kulturell, aber nicht politisch definiert. So sehen sich die Deutschsprachigen außerhalb Deutschlands auch nicht mehr als Deutsche, sondern als loyale Staatsbürger ihrer Heimatstaaten, deren Staatsgebiet überwiegend als deutschsprachige Staaten bezeichnet werden.

Der Begriff Deutschsprachige war ursprünglich eine Verlegenheitslösung: Vor der Gründung des Deutschen Reiches (1871) war Deutscher die Eigenbezeichnung aller Deutschsprachigen. Die damaligen Deutschen besaßen keinen Staat aber eine Kultur; sie bildeten keine Staats-, sondern eine Kulturnation. Für deutsche Minderheiten außerhalb des deutschen Sprachgebietes (der deutschen Diaspora) galt ebenfalls, dass sie deutsch waren sofern, sie eine deutsche Mundart sprachen und sich nicht der deutschen Kultursprache bedienten.

Nach 1871 wurde Deutscher juristisch nach und nach eingeengt und bezog sich immer mehr auf den deutschen Staatsangehörigen. Das brachte mit sich dass das juristisch korrekte Reichsdeutsche lediglich ein Wort der Juristensprache blieb; die deutschsprachige Wohnbevölkerung des Deutschen Reiches definierte sich weiterhin als Deutsche. Da der deutsche Nationalstaat allerdings als Unter- und Übernationalstaat konzipiert. Das brachte den Umstand mit sich dass unter „Deutsche“ auch Bevölkerungsgruppen summiert wurden, die aus ethnischer Sicht keine Deutschen, sondern Dänen, Franzosen, Wallonen, Kaschuben und Polen, Mährer sowie Masuren, Litauer oder Friesen waren. Die damalige Gelehrten- und Juristensprache Deutschlands bezeichnete die Deutschsprachigen außerhalb der Reichsgrenzen nun als „die Deutschen in …“; und die Deutschsprachigen außerhalb der Reichsgrenzen waren nun in der Situation Deutsche zu sein und wiederum keine zu sein. Dieser Widerspruch ist schnell aufzuschlüsseln: Der Sprache und Kultur nach waren diese natürlich weiter Deutsche; nur politisch waren sie es nicht mehr. Daher wurde ab der Jahrhundertwende für sie nach und nach der Begriff eingeführt den sie bis heute innehaben: Deutschsprachige.

Infolge des aufkommenden Imperialismus und Reichsnationalismus vonseiten Deutschlands ab 1890 (die den Wegfall der bismarckschen Sozialistengesetze nachfolgten und in deren Folge die Alldeutsche Bewegung entstand) entfremdete sich das Gros der Deutschen außerhalb der deutschen Grenzen vom traditionellen Deutschtum und bildeten eigene ethnische Identitäten aus. Dies betraf v. a. die Deutschsprachigen in Luxemburg und in der Schweiz. Sie waren die Ersten, die sich selbst als Deutschluxemburger und Deutschschweizer bezeichneten; wobei hier das Präfix {deutsch} nicht mehr für Staatsangehörigkeit oder Kulturraum, sondern lediglich ihre Zugehörigkeit zur deutschen Sprachgemeinschaft ausdrückte.

Etymologie[]

Deutschsprachige ist eine Wortzusammensetzung (Determinativkompositum), das sich aus dem Adjektiv deutsch und dem Suffix -sprachige zusammensetzt. Erster Wortteil ist untergeordnet und bestimmend für den zweiten.

Ethnogenese[]

Ihrer Ethnogenese nach sind alle Deutschsprachigen Festlandgermanen westgermanischer Abkunft. Sie waren ein integraler Bestandteil jenes Gebietes, was Gelehrte als Germania definierten. Ihre Vorfahren waren teilweise durch das Frankenreich unterworfen und gehörten nach dessen Zusammenbruch und den Fränkischen Reichsteilungen überwiegend zum Ostfränkischen Reich und später zum Königreich Germanien, welches sich bis 1500 zu Deutschland entwickeln sollte.

Chronik[]

Die Geschichte der Deutschsprachigen ist eng mit der Entwicklungsgeschichte des Deutschen verbunden. Denn deutsch bezog sich zunächst auf die Sprache (9. Jahrhundert), dann auf seine Sprecher (11. Jahrhundert) und letztendlich auf den Lebensraum (14. Jahrhundert).

Bis zur Ausbildung des Deutschen zur modernen Kultursprache im 18. Jahrhundert waren die Vorfahren der heutigen Deutschsprachigen drei Schreib- und Lesesprachen unterworfen:

  1. Mittelniederländisch,
  2. Mittelniederdeutsch und
  3. Gemeines Deutsch.

Der westmitteldeutsche Raum mit seinem Kulturzentrum Köln verwendete eine ripuarische Kanzleisprache, die sich orthografisch wie grammatikalisch eng an das benachbarte Mittelniederländisch orientierte. Der ostmitteldeutsche Raum mit seinem ihm prägenden Kulturzentrum Meißen verwendete eine regionale Varietät auf Basis des Gemeinen Deutsch.

1500/1600 bildeten sich innerhalb des damaligen deutschen Sprachgebietes infolge der II. Lautverschiebung drei Sprachregionen aus. Nach diesen Sprachregionen schieden sich die damaligen Deutschen in Ober-, Mittel- und Niederdeutsche. Letztere schlossen gemäß damaliger Stammbaumtheorie auch die heutigen Niederländer, Flamen und Friesen mit ein. So bezeichneten die Niederländer ihr damaliges Niederländisch bis 1815 als duytsch, desgleichen die Flamen ihre Variante als dietsch oder duutsch – all diese Formen sind eng verwandt mit deutsch und weisen auf das gleiche westgerm. Wurzelwort: þeuðō „Volk“.

Bereits im 15./16. Jahrhundert wurde in fremd- und mehrsprachigen Habsburgischen Ländern ein frühvölkisches, deutsch-nationales System entwickelt, was die sogenannten Bindestrich-Deutschen hervorbrachte: Ein Deutsch-Böhme jener Zeit war ein Untertan der Böhmischen Krone deutscher Sprache. „Deutsch-Böhme“ war ein Begriff der Grenzlage zu anderen Sprachgemeinschaften. Die Deutschen in Mähren nannten sich fast zeitgleich Deutsch-Mährer und die Deutschen des Baltikums Balten-Deutsche. Im Süden Deutschlands gab es gegen Italien hin die Deutsch-Tiroler und Deutsch-Steirer sowie die Deutsch-Kärntner.

Im 16. Jahrhundert entstand in Meißen die durch Luther (1483–1546) wesentlich geprägte Schreib- und Lesesprache, welche dieser zu seiner Bibelübersetzung verwendete und weiterentwickelte. Wollte doch der Reformator, dass seine Werke von jedem Deutschen verstanden werden würde. Analog dazu entstand in den Niederlanden mit der statenbijbel „Staatenbibel“ ein Werk, das im niederländischen Sprachgebiet ähnliche Wirkung, wie die deutsche Lutherbibel haben würde. Letztere legte Orthografie und Grammatik des Niederländischen fest, so wie es bis heute weitestgehend beibehalten wurde. Ersteres verdrängte ab 1600 in Norddeutschland das Mittelniederdeutsche als Kanzleisprache, was sicherstellte dass dieses Gebiet innerhalb des deutschen Sprachgebietes verblieb. Denn die niederländische Staatenbibel sorgte dafür, dass sich das Niederländische von der bisherigen gemeinsamen deutschen Sprachgeschichte trennte und eigenständige Wege ging. Das Niederdeutsche hätte auch mit dem Niederländischen zusammengehen können, steht dieses ihm doch sprachlich weit näher als das von Luther entwickelte Deutsch.

1618–1648 wütete in Europa der 30-jährige Krieg, der sich v. a. in Deutschland abspielte und einen Religionskrieg zwischen Katholiken und den Protestanten darstellte. Der Westfälische Friede (der das moderne Völkerrecht begründete) legte fest, dass die Niederlande und die Schweiz den Reichsverband verließen. Der Friede zementierte zudem die Kleinstaaterei und begründete in den bisherigen Reichsländern den Absolutismus nach französischem Vorbild. Die Bildungselite und das Bildungsbürgertum sprach nun mehrheitlich Französisch. Deutsch sei, wie es Friedrich der Große (1712–1786) ausdrücken sollte, nur für Hunde und Knechte da.

1770 entstand in Folge der Aufklärung auch bei der damaligen deutschen Bildungselite eine frühe Nationalbewegung in Form der Deutschen Bewegung, welche die damalige Kleinstaaterei Deutschlands über die Bildung einer Nationalkultur überwinden wollte.

Um 1780 gingen auch die kaiserlichen Kanzleien des Römisch-Deutschen Reiches dazu über das sogenannte Lutherdeutsch als Kanzleisprache zu verwenden. Bis 1800 waren die Deutschen dann zur Kulturnation geworden, welche lange Zeit europäische Musik, Wissenschaft und Literatur dominieren sollte.

Ab 1792 griff der französische Imperialismus auf Deutschland über und beseitigte 1806 das Römisch-Deutsche Reich. Die bisherige Römisch-Deutsche Kaiserwürde lebte nun in der österreichischen fort. 1813–1815 fanden die Befreiungskriege statt, an deren Ende ein moderner deutscher Nationalstaat stehen sollte. Der Einheitsgedanke, bisher nur Teil der oberen Klassen, war nun in alle Klassenschichten vorgedrungen: Aus bisherigen Hannoveranern, Hessen-Kasselern, Badenern oder Anhalt-Dessauern waren Deutsche im politischen Sinn geworden.

1815–1866 bestand Deutschland in der Form des Deutschen Bundes, derweil die heutigen Beneluxstaaten bis 1830 im Königreich der Vereinigten Niederlande zusammengeschlossen waren. Dabei fiel dem niederländischen König die Rolle eines deutschen Bundesfürsten zu, war er doch mit Luxemburg Regent eines Bundesstaates Deutschlands. Die Niederlande begannen 1815 ihre Sprache immer mehr als nederlants „niederländisch“ und nicht mehr als (neder)duytsch „(nieder)deutsch“ zu bezeichnen. „Niederdeutsch“ war seit dem 16. Jahrhundert die Eigenbezeichnung des heutigen Niederländisch, wollte es sich doch so vom Hochdeutschen unterscheiden.

1839 wurde Welschluxemburg an Belgien abgetreten, das bereits neun Jahre zuvor seine Unabhängigkeit erklärt hatte. Stattdessen wurde das Herzogtum Limburg aufgenommen. Aber die Frage, ob es eine niederländische Provinz oder einen deutschen Staat darstellte war heftigst umstritten was v. a. im Revolutionsjahr 1848/49 hervortreten sollte. Der Bundesstaat Luxemburg selbst definierte sich immer mehr als frankofon, d. h. als französischsprachig, obgleich die Mehrheit seiner Bewohner deutschsprachig waren. Daher stellte Luxemburg stets einen Sonderfall innerhalb Deutschlands dar.

Alles in allem und trotz aller Unterschiede definierten sich die heutigen Deutschsprachigen seinerzeit noch als Deutsche, da es keinen deutschen Einheitsstaat gab; sondern dass sie übernational organisiert waren. Es stellte damals kein Problem dar, Luxemburger und Deutscher, Österreicher und Deutscher oder Elsässer und Deutscher zu sein.

1866/67 trat der Norddeutsche Bund an die Stelle des bisherigen Deutschen Bundes. Dieser war bereits bundesstaatlich organisiert und wies erste Züge eines Nationalstaates unter der Hegemonie Preußens auf: Im Deutschen Krieg von 1866 waren, die mit Österreich verbündeten Staaten, dem norddeutschen Militärbündnis unterlegen und Österreich wurde nach und nach von der beginnenden deutschen Nationalstaatsbildung ausgeschlossen. Es wollte jedoch weiterhin zu Deutschland gehören, es lasse sich nicht aus Deutschland herausdrängen, so die damalige österreichische Bekundung. Aber es weigerte sich auf seine nichtdeutschen Gebiete zu verzichten (großdeutsche Idee), sodass sich letztendlich die kleindeutsche Idee zur Nationalstaatsbildung durchsetzte.

Im 18./19. Jahrhundert erfolgte eine Auswanderungswelle aus dem deutschen Sprach- und Kulturraum: Zum einen zogen Tausende Deutscher ins Russische Reich. Dort gingen sie zum Teil in der Mehrheitsbevölkerung auf und nannten sich, wenn überhaupt, Deutsch-Russen oder Deutsch-Balten. Sie waren sich zwar ihrer deutschen Herkunft bewusst; sie hatten aber einen Volkstumswechsel vollzogen um gesellschaftlich aufzusteigen. Das Präfix {deutsch} besagte legendlich, dass sie oder ihre Vorfahren der Abstammung nach aus dem deutschen Sprach- und Kulturraum kamen.

In Nordamerika und Ozeanien existierten seit dem späten 19. Jahrhundert auch deutsche Minderheiten, die sich als Deutschkanadier, Deutschamerikaner oder Deutschaustralier bezeichneten. Sie waren Kanadier, Amerikaner und Australier deutscher Abstammung (und Muttersprache). Nach den beiden Weltkriegen (1914–1918 und 1939–1945) assimilierten sich diese Bevölkerungsgruppen an ihrer englischsprachigen Umwelt und sprachen Deutsch, wenn überhaupt, nur noch als Haussprache.

Ab 1899/1900 wurde es in Deutschland und in Österreich-Ungarn üblich alle Deutschen, die nicht innerhalb ihrer Grenzen lebten als Deutschsprachige zu bezeichnen. Diese Bezeichnung ersetzte, dass bisher gebräuchliche Auslandsdeutsche, welche nun auf im Ausland lebende Reichsdeutsche bezogen wurde.

Außerhalb des geschlossenen deutschen Sprachraums lebende Deutschsprachige nannte man bis 1945 (und vereinzelnd darüber hinaus) Volksdeutsche. Innerhalb des deutschen Sprachraums, aber außerhalb der deutschen Staatsgrenzen lebende Deutschsprachige wurden als Grenzlanddeutsche bezeichnet. Heute gelten die Begriffe „Volksdeutsche“ und „Grenz(land)deutsche“ als völkisch belastet und durch die nationalsozialistische Gewaltherrschaft (1933–1945) als ideologisch diskreditiert.

Europäische Staaten mit Deutsch als Kultur- und/oder Amtssprache nannte man bis 1871 deutsche Staaten; seit 1945 jedoch werden sie als deutschsprachige Staaten bezeichnet, da es bis 1990 mit der Bundesrepublik Deutschland und der DDR nur noch zwei offizielle deutsche Staaten gab. Seit deren Wiedervereinigung nur noch einen deutschen Staat.

Siehe auch[]

Literatur[]

  • Berschin, Helmut: Deutschland – ein Name im Wandel. Die deutsche Frage im Spiegel der Sprache, Günter Olzog Verlag München – Wien, 1979, ISBN 3-78927180-2
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